Das Schwammstadt Prinzip: Was das Stadtentwicklungskonzept leistet

Animation einer Stadt auf einem Schwamm

Der Klimawandel macht den Städten und ihren Bewohnern zu schaffen – zum einen durch Starkregenereignisse, die Überflutungen nach sich ziehen, zum anderen durch Überhitzung und Trockenheit. Die Ursache liegt in der Versiegelung von Oberflächen durch Gebäude, Straßen und Plätze. Seit einigen Jahren hat sich das Prinzip der Schwammstadt als Gegenentwurf etabliert. Doch was verbirgt sich dahinter?

Was ist das Prinzip einer Schwammstadt?

Das Schwammstadt Prinzip basiert auf der Idee, in Städten möglichst viele Flächen zu schaffen, die große Mengen Regenwasser aufnehmen und es dem natürlichen Wasserkreislauf zuführen, beziehungsweise das Regenwasser speichern und es bei Trockenheit wieder abgeben können.

In den meisten Städten sieht die Realität anders aus: Die Oberflächen sind durch Gebäude, Straßen und Parkplätze versiegelt. Bei Starkregen kommt es vielfach zu Überflutungen, da das Regenwasser nicht auf natürlichem Weg versickern kann, sondern über die Kanalisation abfließt. Diese ist oft überlastet, es folgen Überschwemmungen. Als problematisch bewerten Experten zudem die Tatsache, dass das Regenwasser ungefiltert durch die Kanalisation in Gewässer fließt. Schädliche Stoffe wie Treibstoff, Gummiabrieb oder Mikroplastik gelangen somit in die Umwelt.

Das zeichnet eine Schwammstadt aus

Eine wassersensible Stadtentwicklung nach dem Schwammstadt-Prinzip sieht verschiedene Maßnahmen vor, die sich untereinander ergänzen.

Entsiegelung von Flächen

Um der Flächenversiegelung entgegenzuwirken, sollen in einer Schwammstadt wasserdurchlässige Bodenbeläge zum Einsatz kommen. Ein Beispiel dafür sind Betonsteine, die auf einem Bett aus Splitt platziert werden. Auf diese Weise entstehen kleine Hohlräume, durch die das Oberflächenwasser versickern kann.

Begrünte Dächer und Fassaden

Das Thema "Green Building", also das ökologisch verantwortungsvolle Bauen, bewegt Bauherren, Projektentwickler und Architekten. Auch bei der Konzeption von Schwammstädten nimmt das Green Building eine zentrale Rolle ein – und zwar in Form von begrünten Dächern und Fassaden. Laut den Experten des BUND sind die Pflanzen in der Lage, 50 bis 100 Prozent des jährlichen Niederschlags aufzufangen. Hinzu kommt, dass die Dachbegrünung im Winter für eine verbesserte Wärmedämmung und im Sommer für Kühlung sorgt. Zudem erhöht sie die Biodiversität, verbessert das innerstädtische Mikroklima und damit auch die Lebensqualität ihrer Bewohner.

Versickerungsflächen

Eine der wichtigsten Maßnahmen im Schwammstadt Prinzip ist die Schaffung von Versickerungsflächen. Hierzu zählen Wiesen, Parks und andere innerstädtische Grünflächen sowie Mulden und Rigolen an Straßen und Wegen. Unter dem Begriff Rigolen verstehen Stadtentwickler unterirdische Pufferspeicher, die das in den Mulden aufgefangene Regenwasser speichern und versickern lassen. Nach dem Prinzip der Schwammstadt umgeben Bäume die Versickerungsflächen, da sie das Wasser über ihre Blätter verdunsten lassen können.

Nachhaltige Regenwassernutzung

Das Prinzip der Schwammstadt sieht die nachhaltige Nutzung von Regenwasser vor. In der Praxis bedeutet das: Der auf den Dächern gesammelte Niederschlag kommt beim Betrieb von Toilettenspülungen, zur Reinigung oder zur Grünflächenbewässerung zum Einsatz.

Nachhaltige Stadtentwicklung nach dem Schwammstadt Prinzip: Chancen und Herausforderungen

Klimaforscher und Stadtentwickler sehen im Schwammstadt-Konzept eine wirkungsvolle Strategie gegen Starkregenereignisse und innerstädtische Überhitzung. Der Schlüssel für die Umsetzung liegt für die Experten in der Entsiegelung von Oberflächen.

Während es bei der Entwicklung und Erschließung von Neubaugebieten einfacher ist, Grünflächen, Stadtbäume und Versickerungsflächen einzuplanen, stellen bestehende Siedlungen für die Planer eine Herausforderung dar. Es sei bisweilen schwer abzuschätzen, wie der Boden und die vorhandene Bepflanzung auf das versickernde Wasser reagieren, warnen Fachleute. Unter Umständen könnten Straßen absacken oder Baumwurzeln durch Staunässe faulen.

Hinzu kommt, dass das Schwammstadt-Konzept auf die individuellen Gegebenheiten jeder Kommune angepasst werden müsse, so die Einschätzung der Experten. Die Ursache dafür liege auch in der jeweiligen Bodenbeschaffenheit: Ist der Untergrund von Natur aus wasserundurchlässig, würde das Schwammstadt Prinzip einen Bodenaustausch bedeuten. In der Regel sei dies hinsichtlich Kosten und Aufwand nicht vertretbar.

Wo das Schwammstadt Prinzip erfolgreich umgesetzt wird

Die dänische Hauptstadt Kopenhagen nimmt beim Prinzip der Schwammstadt eine Vorreiterrolle ein und gilt in Expertenkreisen als herausragendes Beispiel für eine gelungene Umsetzung dieses städtebaulichen Konzeptes. Nachdem Kopenhagen mit den Folgen mehrerer Starkregenereignisse zu kämpfen hatte, ergriff die Stadt verschiedene Maßnahmen: Straßen, die das Regenwasser oberirdisch ableiten, Plätze, die als temporäre Regenrückhaltebecken dienen und neu begrünte, entsiegelte Straßen und Plätze.

Das Prinzip der "Sponge City" wird auch in der nordchinesischen Stadt Harbin umgesetzt. Die gesamte Region ist ganzjährig von Wasserknappheit bedroht. Gleichzeitig erhöht der Bauboom das Überschwemmungsrisiko. Diese Problematik erkannten Wissenschaftler und Politiker frühzeitig und gestalteten Harbin zur Schwammstadt um. Unter anderem gibt es dort einen "Regenwasserpark". Das Areal sammelt und speichert den Niederschlag, dient als Lebensraum für verschiedene Tier- und Pflanzenarten. Als Naherholungsgebiet zahlt der Regenwasserpark auf die Lebensqualität der Bewohner ein.

In Österreich gestaltet die Bundeshauptstadt Wien das Quartier Seestadt Aspern nach dem Prinzip der Schwammstadt um. Das Herzstück bilden 330 neue Bäume, die an ausgewählten Straßen gepflanzt wurden. Unter den Bäumen befindet sich in etwa eineinhalb bis zwei Meter Tiefe eine wasserspeichernde Schwammschicht aus grobem Schotter. Sie bietet ausreichend Platz für die Baumwurzeln und kann theoretisch sogar von Autos befahren werden.

Berlin hat es sich ebenfalls zum Ziel gesetzt, das Schwammstadt Prinzip für das gesamte Stadtgebiet umzusetzen. Erfolgreich ist dieses Vorhaben bereits in der Rummelsburger Bucht. In dem Wohngebiet halten Versickerungsmulden den Niederschlag bei Starkregen zurück und geben ihn in einen darunter liegenden Speicher ab. Damit konnten die Berliner Überschwemmungen für die Zukunft verhindern. Ein weiterer Beitrag zum Prinzip der Schwammstadt leistet die Rummelsburger Bucht mit begrünten Dächern. Da auch über den Tiefgaragen eine Speicherschicht angelegt wurde, wirkt das gespeicherte Wasser an heißen Tagen wie eine Klimaanlage. Die Bewohner der Rummelsburger Bucht freuen sich über deutlich niedrigere Temperaturen als die Menschen in anderen Wohngebieten Berlins.

Auch Hamburg strebt an, eine Schwammstadt zu werden. Die Hansestadt legt den Fokus auf Dachbegrünung – mindestens 70 Prozent der Neu- und Bestandsbauten sollen künftig begrünt sein.

Neben den großen Metropolen haben auch viele kleinere Städte das Schwammstadt Prinzip in ihre Stadtentwicklungsstrategie integriert: Wuppertal, Neu-Ulm oder Pfaffenhofen an der Ilm haben sich von der Flächenversiegelung abgewandt und setzen stattdessen auf unversiegelte Grün- und Wasserflächen.

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Fazit: Zukunftsorientiertes Arbeitsfeld für Bau- und Immobilienexperten

Die Schwammstadt gilt bei Klimaforschern, Stadtentwicklern sowie in Politik und Verwaltung als sinnvolles Konzept gegen Starkregenereignisse und Überhitzung. Statt Beton und Asphalt sollen Grün- und Wasserflächen die Städte der Zukunft prägen. In Neubauquartieren funktioniert diese Strategie, im Bestand stellt sie eine Herausforderung dar. Hier sind Know-how und interdisziplinäres Arbeiten gefragt. Somit eröffnet das Schwammstadt Prinzip auch für Fachkräfte der Bau- und Immobilienwirtschaft ein zukunftsorientiertes Arbeitsfeld und neue berufliche Perspektiven.


Bilder: Adobe Stock, Adobe Firefly